Projekt »Profane Elfenbeine des Spätmittelalters«
Finanziert aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
Projektleitung: Dr. Svea Janzen
Laufzeit: 2024-2027
Ab dem 13. Jhdt. bewirken neue Handelsrouten aus Westafrika eine Blüte der französischen Elfenbeinschnitzerei. Neben sakralen Werken sind weltweit ca. 800 profane Objekte erhalten, darunter reliefverzierte Kästchen, Spiegel und Kämme mit höfisch amourösen Motiven. Obgleich in keinem anderen Medium mittelalterlich-europäischer Kunst ein derart umfangreiches Korpus an Profanwerken existiert, sind diese Elfenbeine kaum beforscht. Das Projekt versteht den singulären Bestand als Schlüssel zum Verständnis der materiellen Kultur spätmittelalterlicher Eliten und zur kritischen Prüfung des Attributs „profan“. Es verfolgt fünf Ziele:
1. Es wird erforscht, weshalb gerade im Medium Elfenbein zahlreiche Objekte profanen Gebrauchs und Dekors entstanden. Dazu werden in zeitlich und kulturell breitem Rahmen die Materialikonologie seit der Antike sowie Bezüge zu Elfenbeinen aus Byzanz und dem islamischen Raum untersucht.
2. Während bisherige Forschungen den Motiven auf profanen Elfenbeinen gelten, wird hier deren Reiz erstmals anhand des Zusammenspiels von Material, Objekt und Dekor erklärt. Dazu werden die Objekte aus der Perspektive einer longue durée nach ihrer Funktion befragt.
3. Durch Quellenstudien (Rechnungsbücher, Inventare, Testamente) werden neue Kenntnisse über die Rezipient/-innen profaner Elfenbeine gewonnen.
4. Quantitative Auswertungen von Datierungen und Objektmaßen mittels digitaler Werkzeuge werden Erkenntnisse über den Markt für profane Elfenbeine liefern.
5. Die Definition des Begriffs „profan“ für die Kunst des Mittelalters wird problematisiert und geformt. Während die Forschung die Profanität eines Gegenstandes meist von dessen Dekor ableitet, wird hier die Funktion des Objekts als bestimmend erachtet. Das Ineinandergreifen der Sphären des als „sakral“ oder „profan“ Geltenden wird analysiert.
Die Untersuchung der profanen Elfenbeine und ihrer Entstehungsbedingungen zielt insgesamt darauf ab, ein tieferes Verständnis vormoderner Luxuskultur zu eröffnen und sowohl die Tragfähigkeit der Begriffe als auch Grenzziehungen zwischen dem sogenannten „Sakralen“ und „Profanen“ neu zu diskutieren. Unter Rückgriff auf ein methodisches Repertoire, das von Quellenstudium über Stilkritik zu digitalen statistischen Erhebungen reicht, und durch das Zusammenlesen von Material, Objekt und Dekor wird ein inhaltlich-methodischer Beitrag zur Kunstgeschichte des Mittelalters sowie den material und object studies geleistet.