Vorlesung im Kino (SoSe 2024)

'Neue Wellen' im Europa der 1950er und 60er Jahre

Die beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg sind von vielfältigen Erneuerungsbewegungen gekennzeichnet; zunächst geht es, vor allem in Italien, um eine Erneuerung des Kinos in politischer und ästhetischer Hinsicht. Dem propagandistischen Unterhaltungsfilm des faschistischen Regimes versuchen jüngere Filmemacher eine am unscheinbaren Alltag orientierte Poesie entgegenzusetzen, die in Film und Literatur als sog. Neorealismus bekannt wird. In Großbritannien erneuert sich insbesondere der seit den 30er Jahren avancierte Dokumentarfilm in den 1950er Jahren durch subjektive und essayistische Formen des Free Cinema.

In Frankreich sind es nicht nur die Neoavantgarden um die Lettristen und Situationisten, die das Kino revolutionieren wollen, sondern insbesondere die Redakteure der Cahiers du Cinema, die bald als Filmemacher der sog. Nouvelle VagueFurore machen. Mit dieser 'Welle' verbunden ist, gerade durch die Arbeit der Filmemacher als Filmkritiker, auch die Idee eines vom Regisseur geprägten, sog. Autorenkinos und die Liebe zum Kino, die Cinephilie verbunden.

Auch in BRD und DDR sind die frühen 1960er Jahre von dem Versuch jüngerer Filmemacher/innen geprägt, die nazistische Vergangenheit ästhetisch und politisch aufzuarbeiten.

Oft gehen diese Erneuerungen mit programmatischen Schriften einher, deren Forderungen von der (ästhetischen) Weltrevolution bis zur Ausschüttung staatlicher Fördergelder reichen.

Die Vorlesung will die filmpolitischen und -ästhetischen Zusammenhänge dieser Erneuerungsbewegungen vergleichend analysieren. Dazu werden wir uns mit programmatischen Schriften der Filmemacher ebenso wie mit ihren Dokumentar- und Spielfilmen und deren Potential ästhetischer Erneuerung beschäftigen.

Die Vorlesung findet wöchentlich im Kino im Schillerhof statt. In der Regel sehen wir jede Woche einen Film, der nach einer kurzen Einführung gezeigt wird. Im Anschluss an die Filmprojektion findet die Vorlesung statt. Die Studierenden bekommen zu Beginn der Vorlesungszeit einen Pass, der zum Eintritt für alle Filme der Vorlesung berechtigt.