Nachwuchsforschungsgruppenprojekt

Dr. Adriana Markantonatos

Nachwuchsforschungsgruppenleiterin im Projekt „Kulturtechnik Imagination“ (EXC-Initiative „Imaginamics.“)
Nachwuchsforschungsgruppenprojekt
Foto: Technoseum Mannheim
Philosophische Fakultät

Raum 319
Bachstraße 18k
07743 Jena

Als Kunst- und Kulturwissenschaftlerin mit Wirkungsraum zwischen Universität, Archiv und Museum konzentrieren sich meine Forschungen auf eine bild- und kunstsensible historische Wissensforschung, die das Ikonische als eigenständigen und unersetzlichen Zugang zur Welt begreift und fragt, wie Bilder – etwa als Modelle, Paradigmen, Instrumente und Vorstellungen – komplexe gesellschaftliche Strukturen ermöglichen, sicht- und interpretierbar machen. Dabei interessiere ich mich für Formen des Bild- und Kunstwissens in seinen historischen Dimensionen, Milieus, in denen solches Wissen entsteht und sich transformiert, soziale Figurationen, in denen visuelles Gesellschaftswissen produziert und reproduziert, in habitueller Praxis eingeübt und wieder transformiert wird. Mein Interesse an der Dinghaftigkeit und Materialität von Wissen gründet in der intensiven Auseinandersetzung mit Nachlässen und überhaupt Archiv- und Sammlungsgut, womit ich ein besonderes Bewusstsein für das Gemacht-Sein von Wissen und Wissenschaften entwickelt habe, wie ebenso die Motivation, diese als (historische) Wissenskulturen zu dekonstruieren. Dabei hat sich in meinen Forschungen das Desiderat zu einer Geschichte der (Suche nach) Formen für soziales Wissen im französischen Kontext von Aufklärung und Moderne herauskristallisiert, in welcher die Imagination als Kulturtechnik ein zentrales Element darstellt.

  • Das Projekt

    „Kulturtechnik Imagination. Zeichnerische Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens in Karikatur und illustrierter Journalliteratur der Moderne im Kontext einer visuellen Epistemologie des Sozialen“ (Exzellenzcluster-Initiative „Imaginamics. Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens“)

    Die Nachwuchsforschungsgruppe „Kulturtechnik Imagination“ setzt sich zum Ziel, die Imagination in ihrer Bedeutung als Kulturtechnik westeuropäischer Gesellschaften der Moderne zu untersuchen. Diese wird dazu als sinnlich vermitteltes, erfahrenes, erlerntes, habitualisiertes Können hinterfragt und auf konkrete epistemische, gesellschaftliche, mediale und künstlerische Bedingungen hin analysiert. Der empirische Fokus liegt auf zeichnerischen Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens im breiten Untersuchungsfeld von Karikatur und illustrierter Journalliteratur der Moderne. Diese werden aus einer bild- und kunstsensiblen, interdisziplinären Forschungsperspektive untersucht und im größeren Zusammenhang einer visuellen Epistemologie des Sozialen kontextualisiert, die ein Bedingungsverhältnis zwischen Imagination und Gesellschaft, zwischen Bild und Wissen annimmt. Im Zentrum der gemeinsamen Arbeit in der Nachwuchsforschungsgruppe steht u. a. die Hypothese einer qualitativen Veränderung des Imaginierens in der ersten Hälfte des 19. Jh., in der sich die Imagination als soziale Praxis erstmals breitenwirksam mit (populär)künstlerischen Darstellungen verbindet und als solche aktiv aufgegriffen wird: Praktiken sozialen Imaginierens werden in dieser Zeit zum Gegenstand der diskursiven, künstlerischen, medialen Auseinandersetzung, genauso, wie die zeichnerisch-karikierenden Bild-Text-Kompilationen der illustrierten Journale sich als neue Faktoren und Indikatoren einer Praxis sozialen Imaginierens zeigen. Dabei wird u. a. untersucht, ob und wie im frühen 19. Jh. soziale Vorstellungen durch zeichnerische Darstellungen Form gewannen, wie sie zu kunstvollen und gleichsam sozialen Formen imaginierten Wissens wurden, in denen wir uns durch das spätere 19., das gesamte 20. und noch hinein in das 21. Jh. verstehend bewegen; wie reale Lebensumstände fiktiv überprägt wurden und insofern von einer Eigendynamik ästhetischer Darstellungsweisen in den Praktiken sozialen Imaginierens gesprochen werden kann; schließlich, ob und wie geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Begriffs- und Theoriebildung im Kontext des sozialen Imaginären davon beeinflusst wurden.

Zur Person

  • Vita
    • Seit 2023 Nachwuchsforschungsgruppenleiterin im Rahmen der Exzellenzcluster-Initiative „Imaginamics. Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens“ mit dem Projekt „Kulturtechnik Imagination. Zeichnerische Praktiken und Dynamiken sozialen Imaginierens in Karikatur und illustrierter Journalliteratur der Moderne im Kontext einer visuellen Epistemologie des Sozialen“, Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena
    • 2022–2024 Assoziiertes Forschungsmitglied der ERC-Forschungsgruppe „Dissecting Society. Nineteenth-Century Sociographic Journalism and the Formation of Ethnographic and Sociological Knowledge“ und Gastwissenschaftlerin am Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
    • 2020–2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin (post-doc) in der ERC-Forschungsgruppe „Dissecting Society. Nineteenth-Century Sociographic Journalism and the Formation of Ethnographic and Sociological Knowledge“, Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
    • Seit 2018 Lehrbeauftragte am Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
    • 2018–2020 Wissenschaftliche Mitarbeiterin (post-doc) in der Emmy-Noether-Forschungsgruppe „Publizistische Skizzen und die Formierung ethnografisch-soziologischer Wissensordnungen“, Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
    • 2018 Promotion im Fach Kunstgeschichte an der Philipps-Universität Marburg, mit einer Arbeit über „Geschichtsdenken zwischen Bild und Text. Reinhart Kosellecks Suche nach dem (...) Unsichtbaren
    • Seit 2017 Lehrbeauftrage am Institut für Kunstgeschichte, Philipps-Universität Marburg
    • 2017–2018 Forschungsreferentin am Technoseum. Landesmuseum für Technik und Arbeit Mannheim zur wissenschaftlichen Erschließung und Dokumentation des Familienarchivs von Carl Benz
    • 2013–2019 Teilnahme an internationalen Sommerschulen: Internationale Sommerschule „Ästhetische Eigenzeiten“, Universität Jena; Summer History Institute, Dartmouth College, Hanover/New Hampshire; Summer School in Intellectual History, Queen Mary University of London; EHRI-Summer School in Holocaust Studies, Mémorial de la Shoah Paris
    • 2012–2014 Promotionsstipendium der Gerda-Henkel-Stiftung, Düsseldorf
    • 2009–2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im Gerda-Henkel-Forschungsprojekt „Begriffsgeschichte und Bildpolitik. Erforschung des wissenschaftlichen Nachlasses von Reinhart Koselleck (1923-2006)“, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg/Philipps-Universität Marburg, in Kooperation mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach
    • 2006–2008 Studentische Hilfskraft im Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Marburg
    • 2003–2008 Magisterstudium der Europäischen Ethnologie/Kulturwissenschaften, Kunstgeschichte und Anglistik-Literaturwissenschaften, Philipps-Universität Marburg; Magisterthese: “Stilisierung des Körpers am Beispiel des Modemagazins VOGUE“
  • Forschungsschwerpunkte
    •  Wissens- und Wissenschaftsgeschichte
    •  Visuelle Kultur (Fokus 17. – 19. Jhdt.) mit Schwerpunkt Enzyklopädische Werke, Sammelwerke zwischen Literatur und Kunst, illustrierte Journalliteratur des 19. Jahrhunderts, intellektuelle Netzwerke zwischen Kunst – Wissenschaft – Journalismus, wissenskulturelle Bruchlinien zwischen Bild und Text
    •  Geschichte und Theorie sozialen Imaginierens
    •  Geschichte und Theorie von Zeichnung und speziell Karikatur
    •  Geschichte der Geistes- und Sozialwissenschaften aus kunst- und bildwissenschaftlicher Perspektive
    •  Interdisziplinäre Begriffsgeschichte und Geschichtstheorie, Leben und Werk Reinhart Kosellecks
  • Schriften- und Ausstellungsverzeichnis

    Monographien:

    Geschichtsdenken zwischen Bild und Text. Reinhart Kosellecks „Suche nach dem (...) Unsichtbaren“, Marburg 2018 (Hochschulschrift).

    Herausgeberschaften:

    Reinhart Koselleck, Geronnene Lava. Totenkult und Erinnerungskultur, hrsg. von Manfred Hettling, Hubert Locher und Adriana Markantonatos, Berlin 2023.

    Reinhart Koselleck – Politische Ikonologie, hrsg. von Hubert Locher und Adriana Markantonatos, München 2013.

    Aufsätze:

    „[...] but that is an infinite story [...]. On Reinhart Koselleck’s Personal Picture Archive in the Context of Momument Studies”, in: [Counter-]Monuments. Memory Practices in Public Space, hrsg. von Maria Engelskirchen, Ursula Frohne, Corinna Kühn und Marianne Wagner, Bielefeld 2024

    „Social Complexity and Artful Complicity in Early Parisian Caricature Journals (ca. 1835–1850)”, in: Ethnography, Folklore, and Nineteenth-Century Print Culture (Wissenskulturen/Cultures of Knowledge, Bd. 2), hrsg. von Christiane Schwab, Frauke Ahrens und Karin Riedl, Bielefeld 2024.

    Kaleidoskop“, open-acces-Publikation, zugänglich unter: https://gtwExterner Link.hypotheses.org/english (Geschichtstheorie am Werk), hrsg. von Bettina Bock von Wülfingen, Bettina Brandt, Jonathon Catlin, Jana Hoffmann, Lisa Regazzoni, April 2023.

     „L’Illustration bloß Illustration? Der Beitrag des ‚Bildes‘ zu einer Geschichte sozialen Denkens und Wissens im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts“, in: Nineteenth-century popular genres as ethnographic formats (Wissenskulturen/Cultures of Knowledge, Bd. 1), hrsg. von Christiane Schwab, Bielefeld 2021, S. 85–114.

    „Gavarni – Geertz – Goffman. Wie illustrierte Journale Welt.Wissen.Gestalte(te)n“, in: Hamburger Journal für Kulturanthropologie, Bd. 13, 2021, S. 454–459.

    „Reinhart Koselleck – Geschichtsdenken zwischen Bild und Text“, in: Reinhart Koselleck und das Bild, hrsg. von Bettina Brandt und Britta Hochkirchen, Bielefeld 2020, S. 185–215.

    Absatteln der Sattelzeit?“ Reinhart Koselleck, Werner Hofmann und eine kunstgeschichtliche Geschichte der Geschichtlichen Grundbegriffe“, in: Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte (E-Journal), 7/1, hrsg. von Ernst Müller und Barbara Picht, Berlin 2018, S. 79–84.

    „Eine Fotohexerei. Einblicke in Reinhart Kosellecks Bildarchiv”, in: Zettelkästen. Maschinen der Phantasie, hrsg. von Heike Gfrereis und Ellen Strittmatter, Marbach am Neckar 2013, S. 69–73.

    „Er-fahrungen. Eine Sichtung der Bildsammlung Reinhart Kosellecks aus kulturwissenschaftlicher Perspektive“, in: Reinhart Koselleck – Politische Ikonologie, hrsg. von Hubert Locher und Adriana Markantonatos, München 2013, S. 32–53.

    „geDENKstätte – Reinhart Koselleck in Buchenwald. Eine unveröffentlichte Fotostrecke aus dem Nachlass Reinhart Kosellecks (1923–2006)“, in: Erinnerung und Gesellschaft. Formen der Aufarbeitung von Diktaturen in Europa, hrsg. von Wolfgang R. Assmann, Carmen Everts und Albrecht Graf v. Kalnein, Berlin 2011, S. 155–166.

    Ausstellungen:

    2024 Co-Kuratierung der Ausstellung „Ins Bild gesetzt. Publizistische Grafik und Gesellschaftswissen, Paris 1830– 1850“, Institut Français München, 6. Februar bis 13. März 2024, zusammen mit Frauke Ahrens und Christiane Schwab und in Kooperation mit Studierenden des Studiengangs Design der Technischen Hochschule Nürnberg.

    2018 Beratend tätig für die Ausstellung „Reinhart Koselleck und das Bild“, Universität Bielefeld / Zentrum für Interdisziplinäre Forschung / Kunstverein Bielefeld, kuratiert von Bettina Brandt und Britta Hochkirchen, 18. April bis 20. Juli, 2018.

    2015 Co-Kuratierung der Ausstellung „Reinhart Kosellecks Geschichte zum Sehen“, Literaturmuseum der Moderne, Marbach a.N., 16. Januar bis 12. April 2015, zusammen mit Heike Gfrereis, Ellen Strittmatter und Moritz Neuffer.

     2013 Autorin für die Ausstellung „Zettelkästen – Maschinen der Phantasie“, Literaturmuseum der Moderne, Marbach a.N., 4. März bis 15. September 2013, kuratiert von Heike Gfrereis.

     2007 Studentische Mitarbeit an der Landes-Ausstellung „Elisabeth – Dienst am Kranken“, 24. März bis 25. November 2007, Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Marburg, kuratiert von Katja Wehry.