Demonstration in Weimar am 19. November 1989 (Foto: Claus Bach)

Ausschreibung zur internationalen Spring School "Soziales Imaginieren und die Rolle von Bildern, Kunstwerken und Bauten"

Bewerbungsfrist: 18. Februar 2024
Demonstration in Weimar am 19. November 1989 (Foto: Claus Bach)
Foto: Claus Bach

Soziales Imaginieren und die Rolle von Bildern, Kunstwerken und Bauten

XXII. Frühjahrsakademie für Kunstgeschichte, Weimar, Deutschland, 17.– 21. Juni 2024

Organisation: Johannes Grave, Justus Hierlmeier und Britta Hochkirchen (Friedrich-Schiller-Universität Jena).

Die ausführliche mehrsprachige Ausschreibung mit Informationen zum Bewerbungsverfahren [dt/en/fr/it/sp] finden Sie hier zum DownloadExterner Link und unter https://www.proartibus.org/ecoles-de-printempsExterner Link.

Die 22. Frühjahrsakademie (École de Printemps, EdP) wird vom 17. bis 21. Juni 2024 von der Friedrich-Schiller-Universität Jena organisiert und in Weimar, Deutschland, stattfinden. Die EdP ist eine Forschungs- und Hochschulinitiative im Bereich der Kunstgeschichte: Sie wird vom Internationalen Netzwerk für Kunstgeschichte (Réseau international de formation à la recherche en histoire de l’art, RIFHA) durchgeführt, einem interkontinentalen Netzwerk, in dem Universitäten und Einrichtungen aus acht Ländern (Kanada, USA, Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland, Schweiz und Japan) zusammenarbeiten. Eine Woche lang werden ca. fünfzig Doktorand*innen, Post-Docs und Professor*innen über die Rolle von Bildern, Kunstwerken und Architektur für das soziale Imaginäre nachdenken.

Zum Thema: Die Disziplin Kunstgeschichte blickt auf eine lange Tradition der Forschung zu den vielfältigen Bezügen zwischen Kunstwerken, Bildern und Architekturen einerseits sowie politischen und gesellschaftlichen Fragen andererseits zurück. Neben etablierten Ansätzen wie der Sozialgeschichte der Kunst, der politischen Ikonographie, der Critical oder New Art History und wichtigen Teilen der Visual Studies hat es jedoch nur wenige Versuche gegeben, die Kunstgeschichte und ihre Gegenstände mit Theorien des sozialen Imaginären oder sozialer Imaginationen ins Gespräch zu bringen. Das ist insofern bemerkenswert, als nicht nur die Kunstgeschichte von solchen Ansätzen angeregt werden könnte und profitieren dürfte. Vielmehr könnten die historische Untersuchung und theoretische Reflexion von visuellen Artefakten, die im Zentrum der Kunstgeschichte und der Visual Studies stehen, von erheblicher Bedeutung für ein besseres Verständnis des sozialen Imaginären sein. Das Réseau international pour la formation à la recherche en histoire de l’art möchte daher mit der Frühjahrsakademie des Jahres 2024 einen solchen Brückenschlag erproben.

Das soziale Imaginäre und soziale Imaginationen sind Gegenstand verschiedener Theorietraditionen und Ansätze geworden. Zu den vermutlich bekanntesten Entwürfen zählen Arbeiten von Cornelius Castoriadis, Charles Taylor und Paul Ricœur; zuletzt haben u. a. Chiara Bottici, Suzi Adams und Kathleen Lennon die Diskussionen um das soziale Imaginäre bereichert. Bei allen Differenzen unter den verschiedenen Konzeptionen wird weitgehend die Auffassung geteilt, dass wir uns mittels sozialer Imaginationen auf kreative Weise die Welt als sinnvollen Zusammenhang und als ein kohärentes Ganzes erschließen. Soziale Imaginationen über Gruppen und Gesellschaften, aber auch über die Welt und andere Sachverhalte oder Erfahrungen sind Teil und Produkt von sozialen Interaktionen, sie liefern aber zugleich eine unverzichtbare Basis für unser soziales Leben. Sie sind nicht als Gegensatz zum Realen, etwa als täuschende Fehleinschätzungen oder Manipulationen, zu begreifen. Vielmehr kann das soziale Imaginäre als Form, Gestalt oder Muster beschrieben werden; mit seiner Hilfe erfassen wir die Wirklichkeit und laden sie mit Bedeutungen sowie mit affektiven, emotionalen oder atmosphärischen Qualitäten auf. Soziale Imaginationen unterliegen ständigen Modifikationen und Verschiebungen. Sie werden von politischen und ökonomischen Machtverhältnissen ebenso geprägt wie von kulturellen Rahmenbedingungen. Insbesondere Castoriadis hat aber nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sie auch zu Triebkräften sozialen Wandels werden und zur Veränderung jener Bedingungen beitragen können, in denen sie sich selbst herausgebildet haben.

Soziale Imaginationen lassen sich nicht einfach abbilden. Keine Erzählung, kein Bild repräsentiert ungefiltert und unverändert eine soziale Imagination. Zugleich aber werden Imaginationen in der Regel nur sozial teilbar, sofern sie sich in Darstellungen kristallisieren und in Vollzügen der Produktion und Rezeption solcher Darstellungen Gestalt annehmen. Um die Rolle von Bildern, Kunstwerken und Architekturen für soziales Imaginieren zu verstehen, reicht es nicht, sie nur auf mögliche Gehalte hin zu befragen, zumal auch das Dargestellte in vielfältigen Akten der Rezeption, Interpretation, Aneignung, Reproduktion und Modifikationen ständigen Verschiebungen unterliegt. Wir schlagen daher vor, visuelle Artefakte nicht allein als Artikulationsformen sozialer Imaginationen zu untersuchen, sondern auch nach der Rolle der Bilder, Kunstwerke und Architekturen für Praktiken sozialen Imaginierens zu fragen. Welche Praktiken werden von Bildern, Kunstwerken und Bauten nahegelegt, ermöglicht oder auch verhindert? Und wie tragen diese Praktiken zu einem sozialen Imaginären bei, das in diesen ständig sich wiederholenden und zugleich verändernden Vollzügen Dauerhaftigkeit gewinnt und überindividuell geteilt werden kann?

Wir wollen daher danach fragen, wie Bilder, Architektur und Kunstwerke in das soziale Imaginieren eingebunden waren und sind: Welche medialen Konstellationen liegen ihnen zugrunde, welche Imaginationen stoßen sie an oder befördern sie; und tragen sie dabei zu sozialem Wandel bei? Wie binden etwa politische Akteure Bilder in ihre Argumentationen ein; oder wo führen die Eigendynamiken von Bildern zu Entwicklungen des sozialen Imaginierens, die gerade nicht intendiert sind? Welchen Beitrag leisten sie bei der Distribution und Routinisierung von sozialem Imaginieren – in unserer Gegenwart, aber auch der Geschichte? Wie partizipieren Bilder, Kunstwerke und Bauten an wirkmächtigen sozialen Imaginationen wie Demokratie, Freiheit und Gemeinschaft? Wie wirken Bild und Text in Prozessen des sozialen Imaginierens zusammen oder auch gegeneinander? Ändern die digitalen Praktiken im Umgang mit Bildern etwas an deren Rolle für das soziale Imaginieren?

Die Frühjahrsakademie lädt dazu ein, den dynamischen Beziehungen zwischen dem sozialen Imaginieren, visuellen Artefakten und Praktiken in konkreten Fallstudien und mit theoretischen Impulsen nachzugehen. Ziel ist es, Beiträge zu unterschiedlichen Epochen, Darstellungsformen und Kulturen miteinander ins Gespräch zu bringen. Beiträge könnten sich zum Beispiel folgenden Themen zuwenden:

  • Soziales Imaginieren in Hinblick auf Selbst- und Fremdbilder sozialer Gruppen und Gesellschaften
  • Soziales Imaginieren und Geschlecht
  • Räume und Infrastrukturen sozialen Imaginierens: Kino, Museum, Ausstellung etc.
  • Temporale Dynamiken des sozialen Imaginierens und ihre mediale Bedingtheit: Rhythmen, Wandel, Dauer, Gleichzeitigkeiten, Latenz etc.
  • Medienhistorische Umbrüche und transmediale Phänomene von Praktiken sozialen Imaginierens: Druckgraphik und illustrierte Bücher, Karikaturen, Bilder in Presse, Fernsehen, sozialen Medien etc.
  • Sammlungen, Präsentationen und Displays von Artefakten als Ausdrucksformen und Experimentalräume sozialen Imaginierens
  • Nicht-menschliche Instanzen im sozialen Imaginieren: mediale Eigenlogiken, ‚algorithmic imagining‘
  • Selbstbeobachtungen sozialen Imaginierens: Kunstkritik/Ausstellungskritik, bildliche Darstellungen öffentlicher Kunstrezeption etc.
  • Politiken des sozialen Imaginierens: staatliche Setzungen und Rahmenbedingungen, subversive Gegenbewegungen
  • Soziales Imaginieren in kolonialen/postkolonialen Kontexten
  • Soziales Imaginieren in Zeiten des Anthropozän und der Klimakrise
  • Theorien des sozialen Imaginären, ihre Relevanz für die Architektur-, Bild- und Kunstgeschichte sowie kunsthistorische und bildtheoretische Impulse für ein besseres Verständnis sozialen Imaginierens

Zum Tagungsort: Die Frühjahrsakademie 2024 wird von der Friedrich-Schiller-Universität Jena organisiert und in der nahegelegenen Stadt Weimar durchgeführt. An der Universität Jena hat sich die interdisziplinäre Forschungsinitiative „Imaginamics. Practices and Dynamics of Social Imagining“ herausgebildet, die bestehende Theorien des sozialen Imaginären auf praxeologischer Grundlage weiterentwickelt und in konkreten kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungen zur Geltung bringt. Das in direkter Nachbarschaft von Jena gelegene Weimar kann neben Berlin als einzigartiger Kristallisationspunkt sozialer Imaginationen in Deutschland gelten. Mit der reichen kulturellen Überlieferung des klassischen Weimar um 1800, der Moderne des Bauhauses und der nahegelegenen Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald ist die Stadt bis heute Ausgangspunkt ebenso wirkmächtiger wie ambivalenter sozialer Imaginationen. Zu denken ist zum Beispiel an den Ilmpark, einen englischen Garten mit bedeutungsträchtigen Ausblicken und Bauten, an die Ausstattung von Goethes Wohnhaus, das mit einer Fülle von Anregungen der Imagination aufwartet, an die imaginative Kraft des frühen Bauhauses, aber auch an die gezielte Lenkung kollektiver Imaginationen durch das in der NS-Zeit errichtete Gauforum. Die Frühjahrsakademie wird in ausgewählten Ortsterminen daran anknüpfen und dabei durch die Klassik Stiftung Weimar als Kooperationspartner unterstützt.

Praktische Informationen und Fristen: Die EdP bietet Doktorand*innen und Post-Docs verschiedener Fachrichtungen die Möglichkeit, ihre Forschungen, Ansätze und Methoden in Sektionen vorzustellen, in denen sie auch mit weiter fortgeschrittenen Forscher*innen zusammenarbeiten. Die Frühjahrsakademie fördert auf diese Weise den internationalen Austausch im Bereich der kunsthistorischen Ausbildung. Bewerber*innen werden gebeten, eine Zusammenfassung ihres Vortrags einzureichen, wobei es keine Einschränkungen hinsichtlich des Zeitraums, des geografischen Gebiets oder der künstlerischen Ausdrucksform gibt. Jede 15-minütige Präsentation wird in einer thematischen Sitzung unter Beteiligung von Kunsthistoriker*innen, die Mitglieder des RIFHA sind, diskutiert. Die Teilnahme an den Seminaren ist während der gesamten Dauer der EdP verpflichtend. Der Call for Papers wird auf den Websites der RIFHA (www.proartibus.orgExterner Link) sowie über einschlägige Portale und Mailinglisten veröffentlicht (Studierende, die an angeschlossenen Einrichtungen eingeschrieben sind, können vorrangig berücksichtigt werden). Doktorand*innen, die an der EdP teilnehmen möchten, sollten bis Sonntag, den 18. Februar 2024, eine Zusammenfassung ihres Vortragsvorschlags (15 Minuten) sowie einen kurzen Lebenslauf mit Angaben zu ihren Sprachkenntnissen an die folgende Adresse senden: ecole.de.printemps@uni-jena.de. Die Abstracts sollten nicht länger als 2.000 Zeichen oder 300 Wörter lang sein und in einer der folgenden Sprachen verfasst werden: Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch. Der Themenvorschlag muss die E-Mail-Adresse, die institutionelle Zugehörigkeit und den Wohnsitz der/des Bewerberin/Bewerbers enthalten. Der Vorschlag und der Lebenslauf sind in einem einzigen mehrseitigen PDF-Dokument zu übermitteln, das wie folgt zu benennen ist: „Name_des/der_Vorschlagenden_Institution“ (z. B. Vorschlag_Maria_Rossi_UniversitàdiTrento). Die Betreffzeile der E-Mail muss den Namen der Antragstellerin/des Antragstellers und das Land der Einrichtung enthalten (z. B. Maria Rossi – Italien).

Post-Docs, die an der Diskussionsleitung einer der Sitzungen interessiert sind, werden ebenfalls gebeten, sich bis zum oben genannten Termin mit einem Lebenslauf zu bewerben. Statt ein eigenes Abstract vorzulegen, sollten sie in einem Motivationsschreiben die Verbindungen ihrer Forschung zum Thema der EdP 2024 darlegen.

Die Unterbringungskosten für teilnehmende Doktorand*innen und Post-Docs werden übernommen. Doktorand*innen können unter Umständen bei ihren Einrichtungen einen Zuschuss zu den Reisekosten beantragen.

Das Organisationskomitee wird in Absprache mit den RIFHA-Mitgliedern das endgültige EdP-Programm festlegen. Die Ergebnisse der Bewerbungsauswahl werden im März 2024 bekannt gegeben. Innerhalb von zwei Wochen nach dem Annahmedatum müssen die Teilnehmer*innen eine Übersetzung ihres Abstracts in einer der anderen offiziellen Sprachen der RIFHA (siehe oben) einreichen. Einen Monat vor Beginn der EdP sollten die Teilnehmer*innen den vollständigen Text ihres Beitrags übermitteln. PowerPoint-Präsentationen sollten bis zum 3. Juni 2024 mit einem Link hochgeladen werden, der den Teilnehmer*innen mitgeteilt wird. Weitere Informationen über RIHFA und die Frühjahrsakademie finden Sie unter https://www.proartibus.orgExterner Link.