Restauratorin Katharina Heiling bei der Konsolidierung von Rissen

Historischer Karzer

Konservierung und Restaurierung des ehemaligen Studentengefängnisses der Universität Jena
Restauratorin Katharina Heiling bei der Konsolidierung von Rissen
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Der Karzer der Universität Jena

Mit dem historischen Karzer und den darin befindlichen Ausmalungen von Martin DisteliExterner Link (1802-1844) besitzt die Universität Jena ein außergewöhnliches Kulturdenkmal und die letzte in Thüringen erhaltene ehemalige Arrestzelle für Studenten. 

Blick in den Karzer auf die Nord- und Westwand nach der Restaurierung
Blick in den Karzer auf die Nord- und Westwand nach der Restaurierung
Foto: G.Grond

Die im Gebäudekomplex Collegium Jenense befindliche Karzerzelle wurde 1738 in direkter Nachbarschaft zum damaligen Senatssaal eingerichtet. In dem 15,38 m² großen Raum bemalte der Schweizer Karikaturist und damals Jenaer Student und Burschenschafter Martin Disteli im Jahr 1822 alle Wandseiten mit bildlichen Darstellungen während er zwei seiner Freunde im Karzer besuchte. An der Holztüre, der Decke und den Wänden sind weiterhin zahlreiche Verewigungen wie Malereien, Zeichnungen, Ritzungen und Einschnitzungen ehemals inkarzerierter Studenten zu sehen. 

Im Jahr 2022 jährte sich die Entstehung der Malereien Distelis zum 200. Mal. Die Art der Ausmalung des Jenaer Karzers verkörpert auch unter den überlieferten Universitätskarzern ein einzigartiges Beispiel der Karzergestaltung, da sie von einer Künstlerhand stammt und nicht Ergebnis aus Zutaten zahlreicher inkarzerierter Studenten ist. Die Darstellungen Martin Distelis gelten zum einen als ein Frühwerk des später als Karikaturist berühmt gewordenen Schweizer Malers, zum anderen ist es die einzige seiner Arbeiten im Format der Wandmalerei. 

Seit der Schließung im 19. Jahrhundert wurden weder der Raum noch die Malereien fachgerecht gereinigt oder konserviert. Bei einer Untersuchung des Bestandes und des Zustandes des Karzers wurde deutlich, dass Handlungsbedarf bestand, um den langfristigen Substanzerhalt zu sichern. Auf Basis
eines umfassenden Berichtes mit zahlreichen Kartierungen, der den vorgefundenen Zustand vor der Konservierung und Restaurierung dokumentiert, wurde ein geeignetes Maßnahmenkonzept entwickelt.  

 

Betreten Sie den Universitätskarzer Jena in einem digitalen RundgangExterner Link vor der Restaurierung.

 

Restauratorin Katharina Heiling bei der Kittung von Fehlstellen und Rissen
Restauratorin Katharina Heiling bei der Kittung von Fehlstellen und Rissen
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Konservierung und Restaurierung

Ein großflächiger Wasserschaden im Deckenbereich, schädigende Risse in den Wandbereichen, großflächige Abhebungen an Malschicht und Kalktünchen sowie bewegliche Putzschale und Fehlstellen gefährdeten den dauerhaften Substanzerhalt. Umfangreiche Konsolidierungs-maßnahmen sicherten die geschwächten Bereiche, bevor mit einer Oberflächenreinigung
begonnen werden konnte. Der Schmutz der Jahrhunderte sowie lokale Übermalungen und Schleierbildungen überdeckten die getünchten Wände, die Decke und die Malereien derart stark, dass nach den Reinigungsarbeiten bisher unbekannte maltechnische Befunde zutage traten. Die in Öltechnik und mit Kalkkasein auf den trockenen Putz ausgeführten Malereien Distelis wurden an der Nord- und Südwand zu einem späteren Zeitpunkt mit Leimfarben nachgezeichnet. Dabei wurden Distelis Pinselstriche jedoch nicht immer korrekt und auch nicht vollständig erfasst. Auch ergaben sich zahlreiche Entdeckungen von zuvor nicht erkennbaren Malereien, die unter UV-Strahlung sichtbar gemacht werden konnten oder bisher von einer später aufgetragenen  Kalktünche verdeckt wurden.

Konsolidierung beweglicher Putzschale
Konsolidierung beweglicher Putzschale
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Nach der Reinigung wurden störende Fehlstellen und Risse durch Kittungen und Retuschen geschlossen. Unterschieden wurde dabei zwischen Schäden und Nutzungsspuren, die als Teil der Objektgeschichte sichtbar und erfahrbar bleiben sollten. Die Retuschen im Bereich der Malereien wurden in einer Strichtechnik ausgeführt, um Original und neue Zutat auch ohne geschultes Auge oder technische Hilfsmittel voneinander unterscheiden zu können.

Die Arbeiten wurden im Oktober 2022 abgeschlossen. Unser großer Dank geht an die Restauratorin Katharina Heiling, an das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und ArchäologieExterner Link, an den Verein für Jenaer Stadt- und Universitätsgeschichte e.V.Externer Link und an die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität JenaExterner Link für ihre großzügigen Förderungen.

Detailaufnahme der freigelegten und in Strichtechnik retuschierten Malerei an der Ostwand
Detailaufnahme der freigelegten und in Strichtechnik retuschierten Malerei an der Ostwand
Foto: G.Grond
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Information

Die Besichtigung des historischen Karzers ist nur in Kleingruppen im Rahmen von Führungen durch die Kustodie (Kunstsammlung) möglich. 

Anfragen für eine Führung richten Sie bitte an kustodie.kunstsammlung@uni-jena.de