Teaser-Schwarz absolut

Schwarz, absolut. Eine Farbe und ihre kulturellen Schattierungen - ein Jenaer Projektseminar​.

Ein Projektseminar des Seminars für Volkskunde/Kulturgeschichte im SoSe 2022
Teaser-Schwarz absolut
Grafik: Projektgruppe "Schwarz absolut"

Farben fristen ein weithin unterbelichtetes Dasein in der volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Forschung. Hier gibt es reichlich Nachholbedarf angesichts ihrer öffentlichen Anwesenheit und ihrer Wirkmächtigkeit, wie denn auch unmissverständlich der Untertitel einer ethnologischen Farben-Ausstellung im Frankfurter Weltkulturenmuseum 2021/22 signalisierte: „Farben ordnen Welten“! An „Farbbetrachtungen der besonderen Art“ wagte sich 2019 bereits das Thüringer Museum für Volkskunde und nahm in einer Ausstellung und einem Buch „Blau und Blaues“ in den Blick. Im Wintersemester 2021/22 und im Sommersemester 2022 widmete sich nun ein Projektseminar des Studienganges Volkskunde/Kulturgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität der radikalen Farbe Schwarz und ihren „kulturellen Schattierungen“. „Wie Kultur die Farben bestimmt, die wir sehen“ heißt ein geist- und hilfreicher Aufsatz von Umberto Eco, in dem er notierte: „Menschliche Gesellschaften sprechen nicht nur von Farben, sondern auch mit Farben“.[1]

Die Bedeutung von Farben ist kulturell besehen immer relativ und historisch wandelbar.[2] Dennoch herrschen da unmissverständliche Festschreibungen wie durch die Gebrüder Grimm im „Deutschen Wörterbuch“: „die bedeutung von schwarz in der farbensymbolik, wo es im allgemeinen das gegentheil von weisz bezeichnet, wurzelt in dem gegensatz von licht und dunkel, ihrer wirkung auf den menschen, auf leben und gedeihen überhaupt. schwarz ist die unholde farbe, die farbe des bösen, des schädigenden, des zorns und der moralischen minderwerthigkeit.“[3] Keine anderen Farben erzeugen ähnlich radikale Gegensätze und polarisierende Kontraste wie die Gegenspielerinnen Schwarz und Weiß – Gut und Böse, Angst und Hoffnung, Licht und Dunkelheit. Goethes Farbenlehre ist über weite Strecken ein Kampf des Lichts gegen die Finsternis. Schwarz gegen Weiß: Farben trennen und verbinden, ziehen Grenzen, markieren und manipulieren, machen Gesinnungen und Zugehörigkeiten sichtbar, Hautfarben entscheiden über Rechte und Anerkennung. In dem Film „Das perfekte Schwarz“ des Leipzigers Tom Fröhlich sagt die Synästhetin Katja Krüger: „Ich glaube, Schwarz ist ein Zustand. Es ist eine Farbe, es ist ein Klang, es ist ein Dasein…“[4]

Die Sprache der Farben und ihr Schattendasein in den Kulturwissenschaften hatte das Projektkollektiv mit Studierenden der Volkskunde/Kulturgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität und des Kulturmanagements aus Weimar (Marlene Brenner, Anne Christel, Tomma Frank, Sabrina Hösch, Jonathan Horn, Claudia-Maria Maruschke, Friedemann Schmoll, Sina Seidenstücker, Andreas Tran und Marina Winkler) gekitzelt und angestachelt! Die Studierenden forschten zwei Semester nach Sinngebungen, Wertungen und Bedeutungen von Schwarz. Es ging um die Spuren und den Gebrauch der Farbe im Alltag und in der Kultur, in der Symbolik, sowie ihre Verwendungskontexte. Die Ergebnisse der Erkundungen kamen am 7. Juli 2022 als „Varieté noir“ in den dunklen Gemäuern des Jenaer Rosenkellers zur Aufführung. Wir gaben der Farbe Schwarz eine Bühne an einem ungewöhnlichen Ort und präsentierten die Ergebnisse in einem Format aus Science Slam, Postern und Infotafeln, Modenschau und musikalischen Präsentationsformen.

Schwarz, die gemeinhin als „unbunt“ betrachtete Farbe, präsentierte sich an diesem Abend augenfällig vielschichtig und in vielsagenden Schattierungen – und mitunter durchaus widersprüchlich: in Absichten der Auf- oder Abwertung etwa, in Fremd- und Selbstzuschreibungen, zur Kolorierung von Angst und Hoffnung. Dies wurde gleich eingangs nach dem Betreten der Unterwelten des Jenaer Rosenkellers deutlich. Eine kleine Ausstellung zum „Fühlen“ zeigte mit Exponaten des mit der Ästhetik von Scherenschnitten operierenden Computerspiels „Limbo“ sowie Makonde-Schnitzereien aus Tansania, wie Schwarz widersprüchliche Daseinszustände kommuniziert – Angst und Depression im düster kolorierten Computerspiel einerseits; Hoffnung und Utopie in dem aus Ebenholz gefertigten „Ujaama“ (Lebensbaum), bei dem das Schwarz für Hoffnung auf ein gerechtes Zusammenleben nach dem Ende der Kolonialzeit stand.

Im Programm ging es dann um „Sichtbarmachen“ durch Schwarz (in der Schrift und durch Kontrastierung), um „Verhüllen“ (durch Sonnenbrillen und schwarze Corona-Masken), Kenntlichmachung von Anomalität und die Verwendung von Schwarz in der Absicht der Abwertung und Denunziation. Wie, ganz im Gegenteil, auch Intentionen der Aufwertung verfolgt werden können, zeigte einen kleine Modenschau mit signifikanten Kleidungsstücken wie dem Talar, der ein exklusives Amt sichtbar macht, Trauerkleidung oder dem „Kleinen Schwarzen“ und dem Rollkragenpullover, die Exklusivität und zunächst Non-Konformismus signalisierten. Der „Schwarze Peter“ erschien in Spiel und Sprache, Quartettspielen und Redensarten. Schließlich kam die dunkle Farbe auch noch zu Gehör, als es mit dem Leitmotiv „Subversion und Selbstbewusstsein“ um ihre Verwendung in der Musik ging. Anfang und Ende, Schwarz beginnt dort, wo kein Licht mehr ist. All diese Präsentationen sollten vor Augen führen, welche reichhaltigen Bedeutungen und Botschaften durch die Farbe Schwarz kommuniziert werden. Immer wird dabei auch Unsichtbares augenfällig und Inneres äußerlich präsent. Oder in den Worten von Margarete Bruns: „Was wir als tiefste Schwärze erleben, lauert in uns selbst.“[5]

 

[1] Umberto Eco: How Culture Conditions the Colours We See, in: Marshall Blonsky (Hg.): On Signs, Baltimore 1985, S. 157-175,

[2] Vgl. etwa Karl Schawelka: Farbe. Warum wir sie sehen, wie wir sie sehen, Weimar 2007; André Karliczek, Konrad Scheurmann (Hrsg.): GesprächsStoff Farbe. Beiträge aus Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft, Köln 2017.

[3] Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 9, Leipzig 1899, Sp. 2302.

[4] https://tomfroehlich.net/work/dasperfekteschwarz/

[5] Margarete Bruns: Das Rätsel Farbe. Materie und Mythos, Stuttgart 1997, S. 215.

Schwarz absolut 1
Schwarze Stille
Die Seminargruppe ließ die Stille wirken.