Gipsmodell junge liegende Frau

Die Bauplastik am Universitätshauptgebäude

Am Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität Jena gibt es zahlreiche Motive zu entdecken
Gipsmodell junge liegende Frau
Foto: Gina Grond

Steckbrief

Architekt: Prof. Theodor Fischer
Bildhauer: Prof. Ludwig Habich, Ernst Neumeister, Adolf Brütt; Arno Zauche, Wilhelm Nida-Rümelin
Ort: Universitätshauptgebäude Jena, Fürstengraben 1
Entstehungszeit: um 1908
Technik: Behauener Naturstein

Geschichte des Universitätshauptgebäudes Jena

Seit ihrer Gründung im Jahre 1558 konnte die Universität Jena ein stetiges Wachstum an Studenten und Mitarbeitern verzeichnen. Der daraus entstandene Platzmangel führte zu der Entscheidung, zum 350-jährigen Bestehen  1908 ein neues Hauptgebäude auf dem Gelände des alten Jenaer Schlosses errichten zu lassen. Das Projekt wurde ausgeschrieben und Prof. Theodor Fischer aus Stuttgart konnte sich mit seinen architektonischen Vorstellungen für den Neubau durchsetzen. Er schuf in seinen Plänen eine Symbiose aus neuen Architekturvorstellungen und alten Traditionen, welche sich nahtlos in die Altstadt Jenas einfügten. Fischer legte großen Wert darauf, dass seine Architektur für sich allein sprechen konnte. Die Wirkung eines Gebäudes entsteht, so Fischer, durch die Silhouette und Maßverhältnisse der einzelnen Bauelemente zueinander. Dementsprechend sprach er sich gegen eine übertriebene skulpturale Verzierung seiner Fassaden aus. Die Bauplastik sollte nur die von der Architektur vorgegebenen Highlights, beispielsweise Portale, Giebel oder Fensterbögen, betonten. Diesem Prinzip folgend plante er bereits in seinen Entwürfen akribisch die Platzierung und Formen der Baukunst, die finalen Ausführungen überließ er jedoch vier Bildhauern: Prof. Ludwig Habich und Ernst Neumeister aus Stuttgart, sowie Prof. Adolf Brütt und Arno Zauche aus Weimar. Diese sollten, seinen Ideen entsprechend, das neue Universitätshauptgebäude mit der passenden Baukunst verkleiden. Auf Veranlassung Fischers blieben zudem die Gipsmodelle für die Bauplastiken erhalten.

Nordseite

Die Nordfassade des Universitätshauptgebäudes wird von mehreren baukünstlerischen Elementen verziert. So sind die damaligen Fakultäten im Form von allegorischen Frauenstatuen auf der Höhe des dritten Stockwerkes zu sehen. 1908 waren vier Fakultäten an der Universität ansässig: die Theologie, Rechtswissenschaften, Medizin und Philosophie. Die Figuren sind in Roben gehüllt. Die Attribute, sowie die über ihnen in den Stein gehauenen Benennungen, machen sie eindeutig zu ortbar. Ganz links ist die Theologie platziert. Sie zeichnet sich durch das an die Brust gedrückte Kreuz aus. Rechts davon steht die Rechtswissenschaft, in den Händen das richtende Schwert, zu ihren Füßen das Gesetz in Form eines Buches. Die Medizin ist durch die entblößte Brust, sowie den Totenkopf zu ihren Füßen identifizierbar. Die Allegorie der Philosophie trägt einen ägyptischen Kopfschmuck, sowie ein aufgeschlagenes Buch in ihren Händen.

Das zweite Hauptaugenmerk der Nordseite ist das Hauptportal. Es ist von einem Vordach überspannt, welches durch zwei Säulen gestützt wird. Die Basen der Säulen wurden figürlich ausgearbeitet. Auf der einen Seite ist ein Löwe zu sehen, auf der anderen wahrscheinlich eine Hydra. Das Hauptportal ist ein Rundbogenportal mit zwei Türen, welche von einem verzierten Türpfeiler voneinander getrennt wurden. Auf diesem thront die Figur einer Frau, welche einen Spiegel in den Händen hält. Dieses Element lässt die Lesung als Personifikation der Wahrheit zu. Aber nicht nur der Mittelpfeiler wurde künstlerisch ausgestaltet. Über ihm ist eine Plakette in die Laibung des Portals geschlagen. Auf dieser steht „UNIVERSITAET“. Umgeben ist die Plakette von einer floralen Verzierung, die einen Großteil des oberen Teils der  Halbtonnenform des Portals ausfüllt. Unter diesem Blätterdach sind links und rechts am Portal zwei Figurengruppen in den Stein gehauen worden. Auf der linken Seite des Portalbogens lässt sich das Liebespaar sehen, welche eine Verbildlichung der Familie symbolisieren könnte. Die rechte Gruppe besteht aus zwei Männern, einen Alten und einen Jungen. Eine mögliche Interpretation für diese ist die Weitergabe von Wissen von der alten Generation zur jungen, was die Aufgabe der Universität widerspiegelt. Der ursprüngliche Entwurf für das Hauptportal geht auf Fischer zurück, wurde allerdings nicht unter dessen Leitung umgesetzt. Dies geschah erst später durch Nida-Rümelin.

Westseite

Die Westfassade wird nur von einer Plastik verziert: das dornengekrönte Haupt Christi im Stile des Vera icon, ausgeführt von Ernst Neumeister. Die Skulptur blickt in Richtung der alten Stadtkirche und unterstützt so die Integration des neuen Hauptgebäudes in das Stadtbild.

Gipsmodell Christuskopf

Foto: G. Grond

Südseite

Gipsmodell junger liegender Mann

Foto: Gina Grond

Auf den Giebeln der Südseite des Universitätshauptgebäudes lassen sich drei große Plastiken wiederfinden. Links und rechts über dem Südeingang sind Prof. Ludwig Habichs ruhender Jüngling und ruhendes Mädchen platziert. Rechts davon, im Giebel des hervorstehenden Flügels, erhebt sich, die ephesische Diana, eine Sonderform der antiken Gottheit. Die Diana von Ephesos galt als vor allem als Fruchtbarkeitsgöttin. Im Kontext des Universitätsgebäudes kann diese Figur als Sinnbild der Alma Mater gelesen werden und für eine fruchtbare Lehr- und Lerntätigkeit stehen. Gleichzeitig wird aber auch auf den Zweck der darunter liegenden Räume hingewiesen, die Theodor Fischer dem archäologischen Museum zugeordnet hatte.

Ostseite

Gipsmodell Maske

Foto: Gina Grond

Das Portal dieser Seite wurde von Fischer als Haupteingang zum archäologischen Museum gestaltet, was sich auch in der skulpturale Verzierung widerspiegelt. Die Bauskulpturen am Portal und den zwei Giebeln des Süd- und Nordflügels sowie zwischen den Fenstern im zweiten Stockwerk zeigen Motive der antiken Mythologie. So lassen sich Odysseus und Polyphem, Prometheus, Ariadne, eine Darstellung des Phönix und verschiedene antike Masken an der Ostfassade wiederfinden.

 

 

 

 

 

Literatur:

Gustav Keyssner: Das Gebäude der Universität in Jena, Sonderdruck, Leipzig [1911].

 

Text: Jonas Buchwald