Im ersten Obergeschoß des Turmgebäudes wiederum wird das Erdbebengebiet Europa dargestellt. Dabei beschränkt sich Walter Herbert hier vor allem auf Motive aus dem deutschen Raum, wie dem Kölner Dom, einem ostthüringischen Brückenbau, dem Brandenburger Tor sowie der Darstellung von Schwarzwälder Bauernhäusern. Einzig entlang der kürzeren Seite des rechteckigen Gemäldes finden sich Themata, welche das südländische Europa und den Balkan repräsentieren. Man erkennt antike Tempelanlagen, die Umrisse des Vesuvs, Bohrtürme und für diese Region typische Pflanzen, wie Palmen, Agaven und Feigen. Für die Farbe der Oberschicht des Stucks wurde auf dieser Etage ein mittleres Eisenoxidrot gewählt.
Auch für die Gestaltung des zweiten Obergeschosses entschied sich Herbert für einen Wechsel der Kontrastfarbe zu einem Chromoxidgrün. Inhaltich präsentiert Herbert hier das Erdbebengebiet Amerika. Die Decke des höchsten Stockwerks besitzt dabei eine bauliche Besonderheit, da sie durch zwei Unterzüge in drei Kompartimente unterteilt wird. Der Künstler nutzt dies geschickt aus, um die verschiedenen geographischen Teile des Kontinents thematisch voneinander zu trennen. Der an der Fensterfront verlaufende Deckenteil visualisiert somit Mittel-, die Fläche im Zentrum Nord- und die vom Treppenaufstieg aus rechts gesehene Fläche Südamerika. Vor allem das mittlere Deckensegment besticht durch eine äußerst homogen wirkende Verbindung zwischen traditionellen (z.B. indigene Figuren, Tipis) und modernen (z.B. Wolkenkratzer, Atomexplosion) Motiven aus der Geschichte des Subkontinents. Neben der Ausarbeitung der drei Hallen des Turmgebäudes gestaltete Herbert zudem die Decke des Treppenhauses, welche sich auf der Höhe des 2. Obergeschosses befindet. In den äußeren vier Ecken dieser Malerei verteilen sich ein Fisch, eine Schildkröte, eine Spinne sowie eine Gottheit. Bei den verschiedenen Darstellungen handelt es sich um mythologische Figuren, die sowohl im Zusammenhang standen, Erdbeben auszulösen als auch vor ihnen zu warnen. Als Exemple für die wissenschaftlich-messbare Methode befinden sich im Zentrum der Treppenhausdecke drei chinesische Seismografen.
Die formale Gestaltung der jeweiligen Geschossdecken gruppiert sich stets um ein historisches oder mythologisches Zentralmotiv, erstreckt sich von dort strahlenförmige in die Fläche; einzelne Elemente erscheinen gespiegelt oder wiederholen sich regelmäßig, so dass jedem Deckenbild trotz der Fülle immer eine Struktur innewohnt. Die Motivfülle verdeutlicht die genaue Einarbeitung Herberts in Mythologie, Geschichte und Landeskunde der einzelnen Regionen und Ländern.
Literatur:
Walter Herbert: Brief an das Zentralinstitut für Physik der Erde“, 1981, Akten Kustodie.
Christoph Heubeck, Doris Weilandt: „Walter Herberts Deckenmalerei im Institut für Geowissenschaften“, in: Heubeck, C. (Hg.): „25 Jahre Institut für Geowissenschaften: Menschen, Konzepte und Ideen“, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2018, S.67-75.
Doris Weilandt: Jenapharm. Architektur und Kunst am Bau, Jena 2009.
Text: Marius Baumgart