Deckenmalerei von Walter Herbert im Institut für Geowissenschaften

Bemalte Decken von Walter Herbert

Im Treppenhaus des Instituts für Geowissenschaften visualisierte der Künstler Walter Herbert über drei Stockwerke die Haupterdbebengebiete Asien, Europa und Amerika
Deckenmalerei von Walter Herbert im Institut für Geowissenschaften
Foto: Babett Forster

Steckbrief

Künstler: Walter Herbert (1908-1986)
Thema: Darstellung der drei Haupterdbebengebiete der Welt
Technik: Seccomalerei mittels Kaseintechnik (Sgraffito)
Entstehungszeit: 1955/56
Ort: Institut für Geowissenschaften (IGW), Burgweg 11a, EG- 2. OG, öffentlich zugänglich

Zum Künstler

Walter Herbert wurde am 26. Januar 1908 im thüringischen Henfstädt geboren. Seine Leidenschaft für die Kunst entdeckte er bereits während der Jugend und entschied sich folglich für ein Studium an der Kunstakademie Dresden zum Sommersemester 1928. Diesen Traum legte Herbert jedoch unmittelbar nieder, als er seinen kranken Vater auf dessen Wunsch hin am Totenbett versprach, einen nichtkünstlerischen Bildungsweg einzuschlagen. Mit dem Ziel ebenso wie sein Vater Lehrer zu werden, begann er ein Studium an der Universität Jena, welches er 1934 erfolgreich absolvierte und anschließend an verschiedenen Volksschulen unterrichtete. Auf Grund seiner einstigen NSDAP-Mitgliedschaft musste Herbert seine pädagogische Karriere im Rahmen der Entnazifizierungsmaßnahmen im Oktober 1945 beenden. Infolgedessen besann er sich auf seine ursprüngliche Passion, der Kunst, zurück und begann seine Fertigkeiten mittels Selbststudiums sowie der Expertise nahestehender Künstler zu verbessern. Im Verlauf der 1950er Jahre etablierte Herbert sich vor allem im Jenaer Raum als freiberuflicher Künstler und erlange vorrangig Aufmerksamkeit durch Werke mit wissenschaftlichem Inhalt, wie den Bildzyklen „Entwicklung des Lebens auf der Erde“ (1953) und „Geschichte der Wissenschaften“ (1954). Sein wohl wichtigstes Werk stellt der sechs Etagen große Glaszyklus dar, welcher sich im Hauptsitz des Unternehmens (MZG) Jenapharm befindet und die Geschichte der Pharmazie visualisiert.  Auf Grund seiner hervorragenden Fähigkeiten, begleitete Walter Herbert in den Jahren 1953-57 das Amt als Leiter der Sektion Malerei und Grafik in der Bezirkssparte Gera für den Verband Bildender Künstler Deutschlands (VBKD). Mittels einer Ausreisegenehmigung, um seinen in Göttingen studierenden Sohn zu besuchen, floh Herbert am 7. September 1957 aus der sowjetischen Besatzungszone in die BRD. Dort fand er erneut eine Anstellung als Lehrer in Hannover und Burgdorf, bis er 1975 in den Ruhestand versetzt wurde.

Entstehungsgeschichte

Treppenhaus im Institut für Geowissenschaften mit Deckenmalerei von Walter Herbert

Foto: Gina Grond

Mit der Grundsteinlegung des Hauptgebäudekomplexes am 24.6.1954 begann der Bau des Forschungsinstituts für Erdbebenforschung, welches heutzutage als Kulturdenkmal geschützt ist. Noch während der Errichtung des Instituts erhielt Walter Herbert im Februar 1955 eine Anordnung von der Auftragskommission der bildenden Kunst beim Rat des Bezirkes für dessen künstlerische Ausgestaltung. Der damalige Institutsleiter Prof. Gerhard Krumbach, welcher sich stark in die Konzeption und Verwirklichung des Baus involvierte, bat Herbert am 28.2.1955 schriftlich um eine erste Terminvereinbarung. Darauffolgend erhielt der Künstler freie Entscheidungsbefugnis für die gestalterische Umsetzung seines Werks. Walter Herbert entschied sich dabei für die sogenannte Sgraffito-Technik, bei der zuerst verschiedenfarbige Putzschichten übereinander aufgetragen werden. Anschließend wird die oberste Putzebene an den gewünschten Stellen abgekratzt, wodurch ein Kontrast zu der darunterliegenden Schicht entsteht und die gewünschte Bildkomposition in Erscheinung tritt. Aus einem Schreiben an die Bauleitung vom 5. September 1955 geht hervor, dass Herbert diesbezüglich 50 Kilogramm Kasein in Pulverform für die Errichtung des Untergrunds bestellte. Die Ausführung der Malerarbeit geschah während des Winters 1955/56 in einem Rohbau ohne Fenster und Türen. Das finale Werk befindet sich im Treppenhaus des Turmgebäudes und stellt die geographischen Haupterdbebengebiete der Welt dar, wodurch es ein Musterbeispiel für architekturbezogene Kunst ist.

Beschreibung der Deckengemälde

Deckenmalerei von Walter Herbert, Detail aus Asien

Foto: Babett Forster

Über der Decke des Erdgeschoßes erstrecken sich innerhalb einer quadratischen Fläche Figuren, welche den ostasiatischen Kulturraum verkörpern sollen. Sie setzten sich zusammen aus mystischen Wesen, Tempelanlagen, trachtentragenden Menschen und der landestypischen Vegetation. Die figurale Komposition ist weiß und kontrastiert damit die kobaltblaue Oberschicht des Graffitos. Auffällig ist, dass die Proportionen der einzelnen Motive zueinander nicht die realen Größenverhältnisse widerspiegeln. Dieses Charakteristikum zieht sich durch alle drei Deckengemälde des Instituts.

Deckenmalerei von Walter Herbert, Detail aus Europa

Foto: Babett Forster

Im ersten Obergeschoß des Turmgebäudes wiederum wird das Erdbebengebiet Europa dargestellt. Dabei beschränkt sich Walter Herbert hier vor allem auf Motive aus dem deutschen Raum, wie dem Kölner Dom, einem ostthüringischen Brückenbau, dem Brandenburger Tor sowie der Darstellung von Schwarzwälder Bauernhäusern. Einzig entlang der kürzeren Seite des rechteckigen Gemäldes finden sich Themata, welche das südländische Europa und den Balkan repräsentieren. Man erkennt antike Tempelanlagen, die Umrisse des Vesuvs, Bohrtürme und für diese Region typische Pflanzen, wie Palmen, Agaven und Feigen. Für die Farbe der Oberschicht des Stucks wurde auf dieser Etage ein mittleres Eisenoxidrot gewählt.

 

Deckenmalerei von Walter Herbert, Detail aus Amerika

Foto: Babett Forster

Auch für die Gestaltung des zweiten Obergeschosses entschied sich Herbert für einen Wechsel der Kontrastfarbe zu einem Chromoxidgrün. Inhaltich präsentiert Herbert hier das Erdbebengebiet Amerika. Die Decke des höchsten Stockwerks besitzt dabei eine bauliche Besonderheit, da sie durch zwei Unterzüge in drei Kompartimente unterteilt wird. Der Künstler nutzt dies geschickt aus, um die verschiedenen geographischen Teile des Kontinents thematisch voneinander zu trennen. Der an der Fensterfront verlaufende Deckenteil visualisiert somit Mittel-, die Fläche im Zentrum Nord- und die vom Treppenaufstieg aus rechts gesehene Fläche Südamerika. Vor allem das mittlere Deckensegment besticht durch eine äußerst homogen wirkende Verbindung zwischen traditionellen (z.B. indigene Figuren, Tipis) und modernen (z.B. Wolkenkratzer, Atomexplosion) Motiven aus der Geschichte des Subkontinents. Neben der Ausarbeitung der drei Hallen des Turmgebäudes gestaltete Herbert zudem die Decke des Treppenhauses, welche sich auf der Höhe des 2. Obergeschosses befindet. In den äußeren vier Ecken dieser Malerei verteilen sich ein Fisch, eine Schildkröte, eine Spinne sowie eine Gottheit.  Bei den verschiedenen Darstellungen handelt es sich um mythologische Figuren, die sowohl im Zusammenhang standen, Erdbeben auszulösen als auch vor ihnen zu warnen. Als Exemple für die wissenschaftlich-messbare Methode befinden sich im Zentrum der Treppenhausdecke drei chinesische Seismografen.
Die formale Gestaltung der jeweiligen Geschossdecken gruppiert sich stets um ein historisches oder mythologisches Zentralmotiv, erstreckt sich von dort strahlenförmige in die Fläche; einzelne Elemente erscheinen gespiegelt oder wiederholen sich regelmäßig, so dass jedem Deckenbild trotz der Fülle immer eine Struktur innewohnt. Die Motivfülle verdeutlicht die genaue Einarbeitung Herberts in Mythologie, Geschichte und Landeskunde der einzelnen Regionen und Ländern.

 

 

Literatur:

Walter Herbert: Brief an das Zentralinstitut für Physik der Erde“, 1981, Akten Kustodie.
Christoph Heubeck, Doris Weilandt: „Walter Herberts Deckenmalerei im Institut für Geowissenschaften“, in: Heubeck, C. (Hg.): „25 Jahre Institut für Geowissenschaften: Menschen, Konzepte und Ideen“, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2018, S.67-75.
Doris Weilandt: Jenapharm. Architektur und Kunst am Bau, Jena 2009.

 

Text: Marius Baumgart