Zukunftsvisionen rechnen mit dem Ungewissen. Ungewissheiten sind von Ängsten, Wünschen und Hoffnungen begleitet: Im Projektseminar “Werkstatt Zukunft” erforschen wir diese existentiell-emotionalen Gemengelagen im Blick auf das Thema Umwelt. Dabei haben wir die Formel “[F]act oder acting” geschaffen, um uns der Frage zu widmen, ob und wie Menschen die Gegenwart als Gemachtes hinnehmen oder auf der Basis von, beziehungsweise in Abgrenzung zu Tatsachen handeln und Zukunft gestalten. Welche Rolle haben persönliche Überzeugungen im Berufsalltag? Inwieweit bestimmen Emotionen das Denken und Handeln im “tätigen Leben” Einzelner? Was bleibt außen vor?
Umweltpolitik, Naturschutz und Klimawandel lassen heute niemanden mehr kalt. Das Studienprojekt zeichnet auf der Basis von Interviews mit Vertreter:innen aus wirtschaftlichen Organisationen und staatlichen Akteur:innen ebenso wie Aktivist:innen von NGO’s, wie den Herausforderungen des Anthropozäns begegnet wird. Durch die Kontrastierung der Positionen befragen wir auf ethnographischem Weg unterschiedliche Praxen und Strategien. Wir zeigen etwa, wie Akteure aus dem Bereich der freien Wirtschaft im Vergleich zu umweltaktivistischen Organisationen argumentieren und wieso auf dieser Basis unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden.
So führen wir im ethnographischen Feld konträre Positionen in einem Tätigkeitsfeld zusammen: Wir interviewen Personen, welche sowohl innerhalb ihrer professionellen als auch ihrer privaten Rollen tagtäglich gezwungen sind, umweltbezogene Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise die Gruppierungen von Klimaaktivist:innen “Fridays for Future” und “Extinction Rebellion”, die sich länderübergreifend engagieren und durch zivilen Ungehorsam politische Veränderungen für das Klima (erfolgreich) einfordern. Im Kontrast dazu steht etwa ein Mitarbeiter des multinationalen Unternehmens Siemens mit den Schwerpunkten “Digitale Transformation, Infrastruktur, Mobilität und Gesundheit” oder Akteure des Social Entrepreneurship Deutschland (SEND), die Wege eines “grünen Kapitalismus” beschreiten möchten, den andere wiederum in Frage stellen. Windkraftverwaltungsunternehmen, Consulting & Management für regenerative Energien und umweltzertifizierende Unternehmensberatung treffen auf politischen Aktivismus, werden von Dimensionen individueller Wünsche und Vorstellungen durchzogen. Unsere ethnographische Forschung zeigt, dass die Umsetzungen von jeweiligen Visionen für eine wünschenswerte Zukunft und die damit verbundenen Praxen zum Teil nicht verschiedener sein könnten - mehr noch, erst das ethnographische Feld ermöglicht den Vergleich, um zu einem komplexen Bild zu gelangen, das die Ambivalenz des Gegenwärtigen vor Augen führt und Zukunftsvisionen preis gibt.