Gibt es „echte“ Cyborgs? Welche Formen der Selbst- und Fremdzuschreibung mithilfe des Wortes „Cyborg“ gibt es im alltäglichen Leben und wann und von wem wird der Begriff als Metapher zur Welterschließung verwendet? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir ethnographisch einen Querschnitt unterschiedlicher Verwendungsweisen des Begriffs Cyborg erschlossen.
In unserer Forschungsarbeit recherchierten wir im deutschsprachigen Raum zu unterschiedlichsten Akteuren, die auf je unterschiedliche Weise mit dem Begriff Cyborg assoziiert werden können. Wir sprachen mit unseren Gewährsleuten über Lebensentwürfe und Zukunftsvorstellungen, z.B. mit Elle Nerdinger, der Vorsitzenden vom Cyborg e.V., einem politisch-künstlerischen Lobbyverband für Cyborgrechte. Wir unterhielten uns auch mit Maul CosplayExterner Link, der als einer der bekanntesten Cosplayer Deutschlands immer wieder Cyborgcharaktere darstellt. Darüber hinaus traten wir mit den beiden Prothesenträger*innen und Instagramer*innen Alexander BöhmerExterner Link und Alexandra TorkuvaExterner Link in Kontakt, starteten eine Action Research durch einen Forumsthread in der Gamingszene auf Rocket Beans TV und interviewten nicht zuletzt einen Mitarbeiter in der Entwicklungsleitung von Otto BockExterner Link, dem größten deutschen Fertigungswerk für Prothesen und Bioelektronik.
So entstand ein Cyborg-Kaleidoskop, das ein anthropologisches Schlaglicht auf das Verhältnis von Menschen, Natur und Technik im Anthropozän wirft. Wir konnten zeigen, dass es hierbei nicht ausschließlich um eine vermeintliche Verbesserung des Menschen in einem transhumanistischen Sinne geht, sondern auch posthumanistische Ansätze zum Tragen kommen, die den Menschen in seiner Stellung dezentrieren und zur Auflösung von machtstiftenden Grenzen und Kategorien beitragen möchten. Während für die Einen die politische Sprengkraft und das utopische Potenzial des Cyborgbegriffs im Vordergrund steht, gehen Andere spielerisch bis unpolitisch mit ihm um oder haben nur auf Grundlage von Fremdzuschreibungen einen Bezug zu dem Thema.
In unserem Studienprojekt spüren wir einem aktuell grundlegenden Wandel des Menschenbildes in Zeiten von künstlicher Intelligenz und neuronaler Myoelektronik, in Zeiten von mehr-als-menschlichen Akteuren nach und entwerfen ethnographische Portraits von gegenwärtigen Selbstverständnissen und zukunftsbezogenen Hoffnungen, Wünschen und Ängsten.
Forschungsteam: Marit Brenner, Annie Eckert, Conny C. Handrich, Atefeh Niazi, Josephin Kalok
Projektleitung „Werkstatt Zukunft“: Dr. Anne Dippel