Muse im Frommannschen Garten

Volkskunde

Muse im Frommannschen Garten
Foto: JF

Was ist Volkskunde (Empirische Kulturwissenschaft)?

Volkskundliche Kulturwissenschaft ist eine kleine Wissenschaft mit einem großen Anliegen: Sie dividiert die historische Gewordenheit von Kultur und ihre Präsenz in der Gegenwart nicht auseinander, sondern reflektiert stets beide Perspektiven mit. Während andere Wissenschaften „Kultur“ auf Künste oder Hochkultur verengen, umfasst unser offener Kulturbegriff die Totalität menschlicher Lebenszusammenhänge – „the whole way of life“ (Raymond Williams), Lebensweisen und menschliche Vorstellungswelten, die Grundlagen, auf denen Menschen zusammenleben und ihr Dasein organisieren. Kurzum: Ein volkskundlich-ethnologischer Kulturbegriff fasst Currywurst und Glauben, Heimat und Fremde, Jugendkulturen und Traditionen zusammen. Im Zentrum des Faches, das auch als Europäische Ethnologie oder Kulturanthropologie geläufig ist, bezeichnet damit Kultur die Vielzahl an Antworten, die Menschen finden, um ihr Leben zu bewältigen und ihm Sinn zu stiften. Volkskunde erforscht kulturelle Prozesse – Fremdes und Vertrautes, Globales und Lokales, Populäres und Besonderes. Im Mittelpunkt steht dabei ein offener Kulturbegriff, der am alltäglichen Leben selbst, den Denkweisen, Erfahrungen und Lebensformen von Menschen ansetzt.

Nimm, was Du brauchst!
Nimm, was Du brauchst!
Foto: FSR VKKG

Für Kultur hat Tzvetan Todorov in Kontrast zu populären und häufig populistischen Vorstellungen von geschlossenen „Kulturkreisen“ oder dem „Kampf der Kulturen“ das Bild eines „Schwemmlandes“ gezeichnet, in dem das Wesen von Kultur sehr viel angemessener eingefangen wird. Kultur ist menschengemacht und damit wandelbar – immer jedoch ambivalent zwischen Beharrung und Dynamik, Freiheit und Zwang, Verbindlichkeit und Innovation. Jeder Mensch wird in eine Kultur hineingeboren, die er sich nicht aussuchen kann; aber er vermag sich mit ihr auseinanderzusetzen und sie zu gestalten und zu verändern. Als Aufgabe kulturanthropologischer Wissenschaft hat Clifford Geertz eine in jeder Hinsicht bereichernde Herausforderung benannt, die stets auch das Eigene relativiert, nämlich „uns mit anderen Antworten vertraut zu machen, die andere Menschen (...) gefunden haben, und diese Antworten in das jedermann zugängliche Archiv menschlicher Äußerungsformen aufzunehmen.“

Aus einem solchen Verständnis als transdisziplinäre Schnittfeld-Disziplin ergeben sich für die Volkskunde belebende Berührungspunkte und produktive Nachbarschaften zu anderen Menschenwissenschaften wie der Soziologie, Geschichte, Psychologie, Kunstgeschichte, den Philologien, Medienwissenschaften u.v.a. Hieraus resultieren auch die Forschungsfelder: Lebensformen und Lebensweisen (Wohnen, Kleidung, Essen etc.), Mensch-Natur-Beziehungen, Alltag und Fest/Ritual, Fremdes und Eigenes, kulturelle Identitäten in komplexen Gesellschaften, Geschlechter, Generationen, Verwandtschaft, Gesellschaft, Glaube und Aberglaube, materielle Kultur, ländliche und urbane Kulturen, Historische Anthropologie u.a.

Tauben füttern
Tauben füttern
Foto: FSR VKKG

Somit zielt der wissenschaftliche Blick hier insbesondere auf konkrete Lebenswelten, Erfahrungsräume und Alltage von Menschen. Volkskunde operiert daher vorwiegend mit qualitativen ethnographischen Methoden, die Nähe zum Feld ermöglichen – teilnehmender Beobachtung (Feldforschung), Interviews, historischem Handwerkszeug, sowie hermeneutischen Verfahren der Bild- und Objektanalyse.

Friedemann Schmoll, Univ.-Prof. Dr.
Lehrstuhlinhaber
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Prof. Dr. Friedemann Schmoll
Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)
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